Bürgerinitiative erhebt Protest

Nachdenken über eine Ausstellung

Monatelang haben Stadtverwaltung und Kulturausschuss die Bürgerinitiative zur Rettung der Natur-und Völkerkunde Sammlung des Julius Riemer vertröstet, bzw. mit dem Argument gearbeitet: „Lassen Sie uns doch die neue Ausstellung im Zeughaus auf dem Arsenalplatz abwarten.“

Warum nicht? Immerhin hatte der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats Prof Puhle, am 8. Juli dieses Jahres in der öffentlichen Kulturausschusssitzung verkündet, dass aus der Sammlung Riemer mehr von den wertvollen Exponaten in das Zeughaus gehören, als ursprünglich angedacht. Das Wort des Professor Puhle, eines ausgemachten Fachmannes, sollte etwas gelten.

Inzwischen ist nun die Ausstellung: „Der Arsenalplatz zu Zeiten der Preußen“ geöffnet. Allein die Tatsache, dass man in dieser Jahreszeit die Eröffnung auf den Abend um 18,30 Uhr gelegt hat, ließ nichts Gutes hoffen. Waren Besucher nicht erwünscht? Wenn das so gedacht war, hat es ja geklappt. Während sich sonst viele Bürger zu öffentlichen Veranstaltungen, in denen Neues vorgestellt wird, einfanden, war der Besuch spärlich, sogar in den Reihen der Stadträte.

Grundsätzlich sei gesagt, das Haus gibt sich in seiner baulichen Hülle für Ausstellungen recht sympathisch. Auch sei zunächst ein Dankeschön an Dr. Beate Kusche ausgesprochen. Die Historikerin, welche auf Empfehlung des Prof Puhle vor einigen Monaten, als Wissenschaftlerin der Städtischen Sammlung zur Seite gestellt wurde, hat ihren Ausstellungsteil zu den Zeitepochen von 1756 bis 1918 mit interessanten Neuigkeiten in Szene gesetzt.

Wer sich für diesen Teil der Ausstellung Zeit lässt, wird berührt sein von dem, was die Wittenberger Bürger leisten und ertragen mussten. Nachdenklich stimmt, dass wenig museales Ausstellungsgut zu sehen ist, da hat man sich die Stadtgeschichte reicher gedacht. Dr. Kusche jedoch bietet mit Einblicken in originales Lesematerial bewegende Zeugenberichte jener Jahrhunderte. Klage- Gedichte, ein Aufruf zur Solidarität mit einem schwer von der Zerstörung ruinierten Tuchmacher, ja sogar Predigttexte von Heinrich, Leonhardt Heubner aus der Zeit der Französischen Belagerung 1813/1814. Leider bricht ihre Federführung mit dem Zeitpunkt 1918 ab.

Für die restlichen Jahrzehnte, bis in die Gegenwart, zeichnet Enrico Heitzer verantwortlich. Ihm oblag auch die letzte Schautafel, auf der dann wirklich noch etwas über die Sammlung Julius Riemer zu erfahren ist.

Diese Tafel lautet: Vorausschau! „Die Verwaltung der Stadt und ihre Sammlungen. Ausblick auf die Vielfalt der zukünftigen Dauerausstellungen.“

Erstaunt reibt man sich die Augen, wenn man liest, was alles Gegenstand von Ausstellungen werden soll: Alte Ratsbibliothek, Ratsarchiv, Ratssiegelsammlung, Ratssammlungen! Da tut sich die Frage auf, welchen Wert haben denn die vielen Nachlässe der Wittenberger Bürger, z.B. die Krügersche heimatkundliche Sammlung, die der Grundstock des ersten Stadtgeschichtsmuseum wurde. Es ist ein wahres Glück, dass der Heimatverein sich ein eigenes heimatgeschichtliches Archiv eingerichtet hat, weil die aktiven Heimatfreunde ihren heimatgeschichtlichen Nachlass nicht an die Städtischen Sammlungen geben wollen. Bei soviel Rat ist Rat teuer wie denn ein spannendes Stadtgeschichtliches Museum in Wittenberg aussehen soll.

Ja und schließlich kommt man zum letzten Vermerk der Zeughausausstellung, auf die Sammlung „Riemer“.
Geschrieben steht: „ Nach dem zweiten Weltkrieg kamen umfangreiche natur -und völkerkundliche Sammlungen des Berliner Fabrikanten und Privatsammlers „Julius Riemer“ (1888 -1958) (Riemer ist 1880geboren) nach Wittenberg, wo sie durch einen Erbschaftsvertrag Teil der Städtischen Sammlungen wurden.“

Was da geschrieben steht macht wütend und sprachlos. Riemers langjährige Freundschaft mit dem Leiter des Kirchlichen Forschungsheimes Dr. Kleinschmidt führte dazu, dass der Magistrat der Stadt Wittenberg 1947 beschloss, den in Berlin ausgebombten Julius Riemer mit seiner Sammlung im Schloss aufzunehmen und ein Museum einzurichten ist.

Riemer nebst Charlotte Riemer erhielten kein Entgelt, das gesamte Kapital, was Riemer noch besaß, wurde in den Aufbau des Museums gesteckt. 1953 waren Riemers Mittel erschöpft, und so kam es dann zu dem Vertrag, nach dem sein Museum auf 99 Jahre durch die Stadt erhalten bleiben sollte.

Davon ist auf der Tafel nichts zu lesen, was als ein unglaublicher Skandal zu betrachten ist. Doch damit noch nicht genug.

In der Ausstellung gibt es sogar noch eine kleine Vitrine! Darin befinden sich: 1 Kohlmeise, zu lesen ist, von Riemer selbst gefangen, 1 Hermlin im Sommerkleid, 1 Beil aus Schildkrötenknochen Papua-Neuguinea und ein kleines schmales geschnitztes Krokodil von den Admiralitätsinseln.

Zusammenfassend sei gesagt, mit dieser Darstellung der Natur-und Völkerkundesammlung „Julius Riemer“ wird nicht nur die Person Julius Riemer verhöhnt, sondern auch all die Bürger, die ihre Hoffnung in eine Bürgerinitiative zur Erhaltung des Museums gelegt haben. Eine Stadtverwaltung und Stadträte können sich vieles leisten, wenn sie aber offensichtlich Bürger hinters Licht führen, gute Bürgerargumente in den Wind schlagen, dann ist der Moment gekommen, wo das letzte Vertrauen zerstört ist.

Somit lautet unsere Forderung: Die Vitrine Riemer in der Ausstellung ist zu entfernen und der Text auf der Tafel ist richtig darzustellen oder ebenfalls zu entfernen. Zweitens fordern wir in Anbetracht des fertigen Zeughauses, die zweite Etage für ein Natur-und Völkerkunde Museum freizugeben, denn das angedachte Schaudepot, Ecke Juristenstraße ist für die Sammlung Riemer nicht ausreichend. Bestärkt werden wir in unserer Forderung durch die Tatsache, dass laut jüngsten Umfragen zum Trend des Museumsbesuches die Natur-und Völkerkunde Museen auf Platz eins zusteuern.

Im Übrigen kann man mal darüber nachdenken was passiert wäre, wenn am Freitag neben der Ausstellung: „Preußen auf dem Arsenalplatz“ auch eine Natur-und Völkerkunde Ausstellung eröffnet worden wäre. Die Stille wäre jäh unterbrochen worden durch viele aufgeregte Kinderstimmen!

Bürgerinitiative zur Rettung des Natur- und Völkerkundemuseum „Julius Riemer“ Lutherstadt Wittenberg

Renate Gruber-Lieblich Dr.-Ing. Dieter Schäfer

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